Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Verehrte Gäste! Über die
Situation im Kosovo sind in diesem Hause
mehrfach aktuelle Debatten geführt
worden, vor dem Krieg, während des
Krieges und nach dem Krieg. Mein Dank
gilt nicht nur den Berichterstattern, sondern
all denjenigen, die in dieser
Region Hilfe leisten, unter schwierigen
Umständen und in einer Region, wo
die Konflikte zwischen den verschiedenen
Bevölkerungsgruppen besonders
tiefe Wurzeln haben und wo die Spuren gegenseitiger
Verletzungen noch
lange spürbar sein werden.
Ich freue mich, daß der Bericht des
Kollegen Iwinski als Schwerpunkt die
humanitäre Situation der betroffenen
Menschen beleuchtet und Konse-
quenzen zieht, sowohl politische und wie
auch praktische. Der Krieg hat
unermeßliche Schäden hinterlassen:
79 Tage Bombardierung, 32000 Luft-
angriffe; manche Quellen geben sogar eine
noch größere Zahl an. Rund
200 Fabriken, 190 Schulen, 50 Krankenhäuser,
50 Brücken, fünf Zivil-
flughäfen, ungezählte Wohnhäuser
und landwirtschaftliche Betriebe sind
zerstört worden. Die Verletzung und
Zerstörung von Menschen läßt sich
nicht aufzählen.
Über die finanzielle Seite von 79 Tagen
Bombardement wissen wir wenig
Konkretes, erst recht über die gesamten
Kosten des militärischen Einsätze.
Aber mit Sicherheit übersteigen diese
Summen die Ressourcen um ein Viel-
faches, die jetzt für den Wiederaufbau
zur Verfügung stehen. Der Winter
kommt, und trotz aller Anstrengungen vieler
Hilfsorganisationen ist die
Situation nach wie vor äußerst
kritisch.
Wer leidet unter solch einem Krieg und seinen
Folgen besonders? Es sind
Kinder, alte Menschen, Kranke und Behinderte,
diejenigen in unserer
Gesellschaft, die besonders verwundbar sind
und die besonderer Fürsorge
und Hilfe bedürfen.
Einige Gedanken zur Situation von Kindern
im Krieg, auf der Flucht oder in
einem anderen Land. Ich möchte kurz
zwei Aspekte beleuchten:
Wie geht es den Flüchtlingskindern in
unserem eigenen Land? Haben sie wirk-
lich die gleichen Rechte und Chancen? Haben
sie die nötige Gesundheits-
versorgung, eine gute Bildung? Haben sie
die Möglichkeit, das, was sie erlebt
haben, auch zu verarbeiten?
Der andere Aspekt: Schwierig ist es für
sie auch, wenn sie in ihr Land
zurückkommen, freiwillig oder auch
nicht freiwillig. Sie finden ein fremdes
Land. Sie finden ihre Freunde nicht mehr,
vielleicht auch Vater, Mutter und
Geschwister nicht. Welche Perspektive haben
sie?
Die UNICEF hat ein Buch über Kinder,
ihre Geschichten und ihre Bilder vom
Krieg im ehemaligen Jugoslawien veröffentlicht;
es heißt "Ich träume vom
Frieden". Ich möchte den Bericht eines
elfjährigen Kindes zitieren:
"Ich spreche mit Dir, den sie vom Spielplatz und von der
Straße vertrieben haben, aus dem Haus, wo Du gewohnt
hast, und aus Deinem Kinderzimmer.
Wie Du leidest, leide ich auch, und auch meine Nächte
sind schlaflos. [...] Ich habe meine Spiele weggeschlossen
[...] und ich habe mein Lächeln weggeschlossen.
Werden wir lange warten müssen? [...] Ich fürchte für
Dich, daß, während wir warten, Dein Geburtsort bald
vergessen sein wird. Deshalb, mein Freund, sei willkommen
in meinem Haus. Wir werden das Meer Teilen und die
Schönheit eines Sommerabends. Wir werden den Gesang
der Vögel genießen und unsere Hausaufgaben zusammen
machen."
Nemanja, 11 Jahre alt.
Kinder haben Erwartungen, sie haben Hoffnungen.
Sie wollen spielen, lernen,
in einer friedlichen Welt aufwachsen. Lassen
Sie uns diese Hoffnungen nicht
enttäuschen und Perspektiven aufbauen.
Ich danke Ihnen. (Beifall)
Sitzungsperiode 1999 - (4.Teil) - 30.Sitzung
/ AS(1999) CR30