Seniorenpolitik der SPD-Fraktion
Die Schwerpunkte unserer Arbeit für Familien,
Senioren,
Frauen und Jugend haben wir in der SPD-Bundestags-
fraktion am Anfang dieser Legislaturperiode festgelegt.
Für den Bereich Altenpolitik möchte
ich fünf Themen
hier erläutern.
Demographischer Wandel
In den letzten beiden Legislaturperioden haben Wissenschaftler
und
Abgeordnete gemeinsam in einer Enquete-Kommission Demographischer
Wandel sich Gedanken gemacht über Einflußfaktoren, aber
vor allem
auch über die Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung
bei uns, in
anderen europäischen Ländern und in anderen Teilen der
Welt. Es wurden
zwei Zwischenberichte fertiggestellt mit vielen Daten, Fakten und
Analysen; einen Abschlußbericht mit politischen Schlußfolgerungen
hat
es aber leider noch nicht gegeben, weil das von der damaligen
Regierung nicht gewollt war. Umstritten waren vor allem die Bereiche
Alterssicherung und Migration/Integration.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat wegen der Bedeutung des Themas jetzt
den Grundsatzbeschluß gefaßt, diese Enquete-Kommission
nochmals ein-
zusetzen, um die schon geleistete Arbeit weiterzuführen und
umzusetzen.
Altenpflegeausbildung
Seit vielen Jahren gibt es Initiativen von verschiedener Seite,
das
Berufsbild Altenpflege aufzuwerten durch eine bundeseinheitliche
qualifizierte Ausbildung, wie dies in der Krankenpflege seit langem
der Fall ist. Es hat dazu mehrfach Initiativen gegeben von Bundesrats-
seite und von der Bundesregierung; sie sind alle gescheitert am
Wider-
stand von Bayern.
Aus dem Ministerium von Christine Bergmann liegt jetzt ein Gesetz-
entwurf vor, der vom Kabinett gebilligt worden ist und bei dem
der
Bundesrat zahlreiche Änderungswünsche hatte. Die erste
Lesung im
Bundestag zeigte, daß die jetzige Opposition voraussichtlich
wieder -
vielleicht auf Veranlassung von Bayern - Zweifel an der Bundes-
kompetenz in diesem Bereich hat; veränderte Bundesratsmehrheiten
können dieser wichtigen Neuregelung also von neuem Steine
in den Weg
legen.
Die SPD-Mitglieder im Ausschuß Familie, Senioren, Frauen
und Jugend
haben für Mitte Dezember eine Anhörung zu diesem Gesetzentwurf
be-
antragt, bei der strittige Fragen hoffentlich konstruktiv geklärt
werden und das Vorhaben eine gute Chance zur Realisierung erhält
–
das wünsche ich mir im Interesse der in der Pflege Beschäftigten
und der Pflegebedürftigen. Auf die Notwendigkeit dafür
weist schon
der demographische Wandel hin.
Novellierung des Heimgesetzes
Spätestens seit Frühjahr 1998, als Norbert Blüm
die Mindestfach-
kraftquote ersatzlos streichen wollte, ist deutlich geworden, daß
für
eine menschenwürdige Pflege Standards sowohl für die
Personalbemessung
wie auch für die Qualifikation festgelegt sein müssen.
Damals sollte
die angestrebte Fachkraftquote von 50 % in stationären Einrichtungen
aufgehoben werden zugunsten von „mehr Flexibilität“; nur massiver
Widerstand von Betroffenen, von Wohlfahrtsverbänden, Kirchen,
ÖTV und
SPD konnten das verhindern.
Im zuständigen Ministerium wird jetzt an der Novellierung
des Heim-
gesetzes gearbeitet in mindestens drei Bereichen: einmal sollen
Zahl
und Qualifikation der Beschäftigten den Bedürfnissen
und Anforderungen
der jeweiligen Pflege gerecht werden; zum anderen sollen auch die
bau-
lichen Erfordernisse den veränderten Gegebenheiten angepaßt
werden;
und eine Stärkung ist angestrebt für die Mitbestimmung
und Mitwirkung
derjenigen, die in Institutionen leben.
Diese Arbeit werden wir aus der SPD-Arbeitsgruppe kritisch begleiten
und fördern - im Interesse der Betroffenen und der Beschäftigten;
daß
sie dabei beteiligt werden, ist selbstverständlich.
Gewalt gegen Ältere
In der letzten Legislaturperiode haben wir einen Antrag eingebracht
zum Thema „Gewalt gegen Ältere – Prävention und Intervention“,
der
abgelehnt wurde, obwohl von allen Seiten die Notwendigkeit betont
wurde, daß Handlungsbedarf besteht.
Ziel des Antrags war zum einen, daß Forschung im Bereich
Gewalt gegen
Ältere intensiviert wird; aus anderen Ländern wissen
wir, daß es zu
Gewalt im sozialen Nahraum erschreckende Zahlen gibt und daß
zum Bei-
spiel Demenzkranke besonders gefährdet sind. Aber nicht nur
Forschung
ist wichtig, sondern parallel dazu sind Strategien nötig,
um Über-
forderung in der häuslichen Pflege entgegenzuwirken - zum
Beispiel
durch Anlaufstellen wie die in Bonn mit dem schönen Namen
„Handeln statt Mißhandeln“.
Gewalt in ihren vielen Formen ist ein wichtiges Thema auch im Hinblick
auf Frauen und Kinder – dabei ist gelegentlich auch parteiüber-
greifende politische Arbeit möglich, wie das Beispiel „Vergewaltigung
in der Ehe“ in der letzten Legislaturperiode zeigt oder die jetzige
Initiative zur „Ächtung von Gewalt in der Erziehung“.
Ältere Migrantinnen und Migranten
Ältere ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger
sind die am stärksten
wachsende Gruppe in unserer Bevölkerung. Vor Jahrzehnten zu
uns
gekommen, planten sie im Alter in ihre Heimat zurückzukehren;
aus
vielerlei Gründen bleiben die meisten von ihnen hier. Ihre
Zahl wird
sich in den nächsten 10 Jahren mehr als verdoppeln auf über
eine
Million – „Älter werden in der Fremde“ wird alltäglich.
Interkulturelles Lernen ist also nicht nur in Kindergarten und
Schule,
für Arbeitsplatz und Freizeit sinnvoll und nötig, sondern
wir brauchen
es auch für das Zusammenleben im Alter. In der Arbeitsgruppe
Migration/
Integration der Enquete-Kommission Demographischer Wandel haben
wir
Möglichkeiten und Notwendigkeiten dafür aufgezeigt. Unsere
Aufgabe ist
jetzt die Umsetzung.
Solidarität ist das, was am meisten verlorengegangen ist in
den 16
Jahren der vorigen Regierung. Es ist nicht einfach, sie wieder
aufzu-
bauen: die Solidarität zwischen Alten und Jungen, Gesunden
und
Kranken, Vermögenden und Weniger-Vermögenden, Einheimischen
und
Zugewanderten. Es ist eine Aufgabe für uns alle.