Presseveröffentlichung zum Thema "Seniorenpolitik in der
   SPD-Fraktion" in der Demokratischen Gemeinde 12/99
 

     Seniorenpolitik der SPD-Fraktion

Die Schwerpunkte unserer Arbeit für Familien, Senioren,
Frauen und Jugend haben wir in der SPD-Bundestags-
fraktion am Anfang dieser Legislaturperiode festgelegt.
Für den Bereich Altenpolitik möchte ich fünf Themen
hier erläutern.

Demographischer Wandel
In den letzten beiden Legislaturperioden haben Wissenschaftler und
Abgeordnete gemeinsam in einer Enquete-Kommission Demographischer
Wandel sich Gedanken gemacht über Einflußfaktoren, aber vor allem
auch über die Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung bei uns, in
anderen europäischen Ländern und in anderen Teilen der Welt. Es wurden
zwei Zwischenberichte fertiggestellt mit vielen Daten, Fakten und
Analysen; einen Abschlußbericht mit politischen Schlußfolgerungen hat
es aber leider noch nicht gegeben, weil das von der damaligen
Regierung nicht gewollt war. Umstritten waren vor allem die Bereiche
Alterssicherung und Migration/Integration.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat wegen der Bedeutung des Themas jetzt
den Grundsatzbeschluß gefaßt, diese Enquete-Kommission nochmals ein-
zusetzen, um die schon geleistete Arbeit weiterzuführen und umzusetzen.

Altenpflegeausbildung
Seit vielen Jahren gibt es Initiativen von verschiedener Seite, das
Berufsbild Altenpflege aufzuwerten durch eine bundeseinheitliche
qualifizierte Ausbildung, wie dies in der Krankenpflege seit langem
der Fall ist. Es hat dazu mehrfach Initiativen gegeben von Bundesrats-
seite und von der Bundesregierung; sie sind alle gescheitert am Wider-
stand von Bayern.
Aus dem Ministerium von Christine Bergmann liegt jetzt ein Gesetz-
entwurf vor, der vom Kabinett gebilligt worden ist und bei dem der
Bundesrat zahlreiche Änderungswünsche hatte. Die erste Lesung im
Bundestag zeigte, daß die jetzige Opposition voraussichtlich wieder -
vielleicht auf Veranlassung von Bayern - Zweifel an der Bundes-
kompetenz in diesem Bereich hat; veränderte Bundesratsmehrheiten
können dieser wichtigen Neuregelung also von neuem Steine in den Weg
legen.
Die SPD-Mitglieder im Ausschuß Familie, Senioren, Frauen und Jugend
haben für Mitte Dezember eine Anhörung zu diesem Gesetzentwurf be-
antragt, bei der strittige Fragen hoffentlich konstruktiv geklärt
werden und das Vorhaben eine gute Chance zur Realisierung erhält –
das wünsche ich mir im Interesse der in der Pflege Beschäftigten
und der  Pflegebedürftigen. Auf die Notwendigkeit dafür weist schon
der demographische Wandel hin.

Novellierung des Heimgesetzes
Spätestens seit Frühjahr 1998, als Norbert Blüm die Mindestfach-
kraftquote ersatzlos streichen wollte, ist deutlich geworden, daß für
eine menschenwürdige Pflege Standards sowohl für die Personalbemessung
wie auch für die Qualifikation festgelegt sein müssen. Damals sollte
die angestrebte Fachkraftquote von 50 % in stationären Einrichtungen
aufgehoben werden zugunsten von „mehr Flexibilität“; nur massiver
Widerstand von Betroffenen, von Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, ÖTV und
SPD konnten das verhindern.
Im zuständigen Ministerium wird jetzt an der Novellierung des Heim-
gesetzes gearbeitet in mindestens drei Bereichen: einmal sollen Zahl
und Qualifikation der Beschäftigten den Bedürfnissen und Anforderungen
der jeweiligen Pflege gerecht werden; zum anderen sollen auch die bau-
lichen Erfordernisse den veränderten Gegebenheiten angepaßt werden;
und eine Stärkung ist angestrebt für die Mitbestimmung und Mitwirkung
derjenigen, die in Institutionen leben.
Diese Arbeit werden wir aus der SPD-Arbeitsgruppe kritisch begleiten
und fördern - im Interesse der Betroffenen und der Beschäftigten; daß
sie dabei beteiligt werden, ist selbstverständlich.

Gewalt gegen Ältere
In der letzten Legislaturperiode haben wir einen Antrag eingebracht
zum Thema „Gewalt gegen Ältere – Prävention und Intervention“, der
abgelehnt wurde, obwohl von allen Seiten die Notwendigkeit betont
wurde, daß Handlungsbedarf besteht.
Ziel des Antrags war zum einen, daß Forschung im Bereich Gewalt gegen
Ältere intensiviert wird; aus anderen Ländern wissen wir, daß es zu
Gewalt im sozialen Nahraum erschreckende Zahlen gibt und daß zum Bei-
spiel Demenzkranke besonders gefährdet sind. Aber nicht nur Forschung
ist wichtig, sondern parallel dazu sind Strategien nötig, um Über-
forderung in der häuslichen Pflege entgegenzuwirken - zum Beispiel
durch Anlaufstellen wie die in Bonn mit dem schönen Namen
„Handeln statt Mißhandeln“.
Gewalt in ihren vielen Formen ist ein wichtiges Thema auch im Hinblick
auf Frauen und Kinder – dabei ist gelegentlich auch parteiüber-
greifende politische Arbeit möglich, wie das Beispiel „Vergewaltigung
in der Ehe“ in der letzten Legislaturperiode zeigt oder die jetzige
Initiative zur „Ächtung von Gewalt in der Erziehung“.

Ältere Migrantinnen und Migranten
Ältere ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger sind die am stärksten
wachsende Gruppe in unserer Bevölkerung. Vor Jahrzehnten zu uns
gekommen, planten sie im Alter in ihre Heimat zurückzukehren; aus
vielerlei Gründen bleiben die meisten von ihnen hier. Ihre Zahl wird
sich in den nächsten 10 Jahren mehr als verdoppeln auf über eine
Million – „Älter werden in der Fremde“  wird alltäglich.
Interkulturelles Lernen ist also nicht nur in Kindergarten und Schule,
für Arbeitsplatz und Freizeit sinnvoll und nötig, sondern wir brauchen
es auch für das Zusammenleben im Alter. In der Arbeitsgruppe Migration/
Integration der Enquete-Kommission Demographischer Wandel haben wir
Möglichkeiten und Notwendigkeiten dafür aufgezeigt. Unsere Aufgabe ist
jetzt die Umsetzung.

Solidarität ist das, was am meisten verlorengegangen ist in den 16
Jahren der vorigen Regierung. Es ist nicht einfach, sie wieder aufzu-
bauen: die Solidarität zwischen Alten und Jungen, Gesunden und
Kranken, Vermögenden und Weniger-Vermögenden, Einheimischen und
Zugewanderten. Es ist eine Aufgabe für uns alle.



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